Barghorn tickt andersrum
Was passiert, wenn man Jugendliche, die sich für einen Ausbildungsplatz interessieren, einfach wie die eigenen Kunden behandelt? Darauf hat Gunnar Barghorn, Betriebsinhaber der Barghorn GmbH, eine Antwort gefunden: Man denkt automatisch kundenfreundlicher. „Wenn ich merke, dass wir nicht der optimale Betrieb sind, in dem ein Jugendlicher glücklich werden wird, dann berate ich ihn eben neutral weiter“, erzählt er. „Das ist fair und so hat er am Ende das beste Bild von mir und meinem Unternehmen. Viele halten das für falsch. Aber was hab ich als Unternehmer davon, jemand auszubilden, der nicht zu mir passt?“
Umgedrehte Bewerbung
Auf diese Weise kam Gunnar auch auf den Gedanken der umgedrehten Bewerbung. Aus Bewerbermangel durchstöberte er regionale Stellenausschreibungen und begann sich bei interessanten Stellen- und Ausbildungsgesuchen aktiv zu melden. „Ich dachte mir irgendwann, du kannst das ja ganz unkonventionell angehen und bewirbst dich einfach mit deiner Firma bei diesen Leuten.“
Anfangs versandte Gunnar eine klassische Bewerbungsmappe der Firma mit Anschreiben, Lebenslauf und Arbeitszeugnissen durch die Mitarbeiter. Bei der Planung der neuen Website beschloss Gunnar dann, diese Daten personalisiert als E-Mail zum Download anzubieten. „Dieses Verfahren kommt sehr gut an. Momentan haben wir pro Woche etwa drei bis vier Bewerber, die sich die Daten herunterladen. Etwa die Hälfte meldet sich dann telefonisch“, erzählt Gunnar.
Dank seiner Erfahrung kann der 52-Jährige schon im Telefongespräch sehr gut heraushören, ob die Arbeitsvorstellungen, Werte und Ziele zwischen dem Bewerber und seiner Firma kompatibel sind. Für ihn zählt fast ausschließlich die Persönlichkeit, das heißt die Frage, ob jemand menschlich ins Team passt und die Leidenschaft mitbringt, um den Job mit Energie anzugehen. „Beim persönlichen Gespräch merkt man ja sofort, wenn jemand aus Wolkenkuckucksheim kommt oder Ideen hat, die einfach nicht zu uns passen.“
Round-Table-Verfahren
Die finale Entscheidung darüber, ob ein Bewerber im Betrieb anfängt, fällt übrigens nicht der Chef, sondern das Team. Jeder Bewerber muss nämlich eine Woche zum Probearbeiten erscheinen. Die Kollegen in seinem Team können dann die Auswahl treffen, ob er menschlich und von seiner Arbeitsleistung ins Team passt.
„Ich hatte bereits Bewerber hier sitzen, die waren in ihrer eigenen Vorstellung schon Geschäftsführer. Die konnten Rohre schweißen von hier bis Meppen und beim Probearbeiten brach das ganze Kartenhaus dann zusammen“, erzählt Gunnar lachend. In der Halle reichen große Worte nämlich nicht aus und das Veto von einem Teammitglied hat dann bei der Auswahl großes Gewicht.
Gleichzeitig hat so auch jeder Bewerber einen intensiven Eindruck vom Unternehmen, dem Arbeitsumfeld und den Arbeitsinhalten. Dadurch können Neulinge viel besser eine wirklich gute Entscheidung treffen. „Wie Bewerbungsverfahren normalerweise aussehen, ist doch total blödsinnig. Da entscheidet ein Vorgesetzter darüber, wer ins Team soll. Und nachher gibt es Hauen und Stechen. Das kann doch das Team um Welten besser entscheiden.“
Ausbildung im Handwerksbetrieb
Gunnar hat in seinem Betrieb ein sehr engmaschiges Netz an Ideen und Verfahren geknüpft, das die Jugendlichen und ihre Eltern auf dem Ausbildungsweg gut begleitet. „Man muss viele Eltern ja regelrecht davon überzeugen, dass ein Handwerksbetrieb der viel bessere Berufseinstieg als die Industrie ist“, verdeutlicht er. In der Industrie verdiene man zwar deutlich mehr, es sei aber eben auch eine Sackgasse.
„Fürs Handwerk sind viele, die in der Industrie gelernt haben, zu eng ausgebildet und haben oft ein sehr hohes Anspruchsdenken.“ Als Auszubildender in einem kleinen Handwerksbetrieb zu starten heißt daher, viel mehr Problemlösungskompetenz, Eigenverantwortung und eine Breite an technischen Fertigkeiten zu erlernen. Der Weg in die Industrie stehe dann immer noch offen, erklärt Gunnar, aber „viele begreifen die Ausbildung eben nicht als Investition, sondern als Status quo.“
Dass er trotz vieler Industrieunternehmen in der Umgebung kontinuierlich so viele Auszubildende beschäftigt, ist Folge der Strategie, sich attraktiv für Mitarbeiter zu machen. Fachkräftemangel heißt für ihn lediglich, dass die Fachkräfte, die dem einen Unternehmer fehlen, bei jemand anders arbeiten. „Das kann man ändern. Dann hat der andere die Probleme, aber eben nicht mehr ich selbst.“ Mit Geld zu ködern ist Gunnar nie in den Sinn gekommen, weil er es als fantasieloses, kurzfristiges und letztes Mittel betrachtet.
Gespür für Symbole
Wer bei Barghorn anfängt, der soll seine Ausbildung vielmehr in positiver Erinnerung behalten. Deshalb startet Gunnar am ersten Arbeitstag mit einer ausführlichen Grundeinweisung, einem Firmenrundgang und einer Gesprächseinheit mit dem Chef. Zum Probezeitende gibt es einen Elternabend, damit die Eltern ein Gefühl dafür bekommen, was ihr Nachwuchs im Berufsalltag so alles erlebt. An diesem Abend übergibt Gunnar zudem die erste eigene Werkzeugkiste an die Auszubildenden, die sie drei Jahre später auch zur Abschlussprüfung brauchen. Aufdiese Kiste aufzupassen, obliegt ihrer Verantwortung und bei Verlust muss sich jeder selbst um die Werkzeuge kümmern. Also ein wichtiger Schritt, um Verantwortung zu lernen.
Mit Beendigung der Ausbildungszeit bekommen übrigens alle Mitarbeiter bei Barghorn ein Firmenhandy und eine Simkarte mit Datenpaket. „Weil ich keine Lust habe, mit den Mitarbeitern über Handys zu diskutieren, erhält jeder ein monatliches Budget, das sich anspart und von dem er sich selbst ein Gerät seiner Wahl kaufen kann“, erzählt Gunnar. Das motiviere dazu, nachhaltig und bewusst mit dem Gerät umzugehen.
Online-Buchung des Praktikums
Kontakt
- Gunnar Barghorn
- Barghorn GmbH & Co. KG
- 26919 Brake
- www.barghorn.de
Um für Schüler als Ausbildungsbetrieb sichtbar zu sein, unterhält Gunnar gute Kontakte zu regionalen Schulen und bietet viele Praktikumsplätze an. Doch das standardisierte Bewerbungsverfahren empfand er nach kurzer Zeit als reine Qual. „Da sitzt ein 16-Jähriger vor mir und soll mir von seiner unglaublich spannenden Vita erzählen. Eine Bewerbung für einen Praktikumsplatz ist der größte Unfug auf dem Globus.“
Gunnar wäre nicht Gunnar Barghorn, wenn er lange gefackelt hätte. So fragte er das vorhandene Kontingent an Praktikumsstellen bei seinen Abteilungsleitern ab und ließ ein Online-Tool für die Website programmieren, mit dem sich Schüler mit wenigen Klicks einen Praktikumsplatz bei einer Abteilung und in einer bestimmten Woche buchen können.
„Während Eltern und Lehrer den Schüler zu Bewerbungen drängen, kann er bei uns einfach per Smartphone den Platz buchen und hat das Thema erledigt. Das ist kundenorientiertes Denken und holt die Jugendlichen genau da ab, wo sie sind.“ Mitsamt der Bestätigungsmail für das Praktikum verschickt Barghorn einen 80 Euro-Einkaufsgutschein für den firmeneigenen Fanshop. Dort kann sich der Schüler dann sein Sicherheitsoutfit für das Praktikum zusammenstellen, das er am ersten Praktikumstag einfach im Unternehmen abholen kann.
Auch dieses Beispiel zeigt wieder: Bei Barghorn bleibt kein standardisiertes Verfahren bestehen, wenn es sich als ineffizient erweist. Schließlich ticken die Uhren hier schon immer ein bisschen anders.
Fotos: Barghorn GmbH & Co. KG